Donnerstag, 25. November 2010

Samstag 12. Juni 2010: Gagra I, Ritsa See (77 km)

Ich wache nach der Nacht mit den Russen schon fertig angezogen mit Schuhen auf dem Bett auf. Eieiei. Aber das Zeug war wohl ganz OK, ich bin fahrtüchtig. Das Geheimnis war wohl der viele Saft zwischen den Wodka Stamperln, so ist man nicht dehydriert. Meine paar Rest-Rubel will ich am Strand verfrühstücken, dann Euro wechseln und dann hinauf zum Ritsa See, der "Perle Abchasiens". Vor der einzigen Bank gibt es aber ein langes Gesicht: es ist Samstag! Eine Wechselstube finde ich nicht, und der Bankomat funktioniert nur mit russischen Karten. Nach planlosem Herumgesuche und Vor- und Zurückradeln gehe ich in ein offiziell aussehendes Gebäude, in dem man sich glaube ich für einen Arzttermin bewerben kann. Dort frage ich die Dame am Schalter, was ich jetzt bitte tun soll. Sie zuckt mit den Schultern und scheint sich nicht weiter zu interessieren, sie dreht sich weg. Mein Hilflosigkeitsgrad steigt ... dann realisiere ich, sie hat jemand angerufen, schreibt die Zahl 37,5 auf einen Zettel und wechselt mir zu genau diesem Kurs meinen 50-Euro-Schein aus ihrem Privat-Geldbeutel. Ein Engel!

Gleich hinter der Abzweigung in das Flusstal zum Ritsa See, der auf 950 m liegt, stellt sich heraus, dass die Entscheidung, den noch "mitzunehmen", nicht verkehrt war. Die Landschaft ist einfach grandios, die Natur zieht alle Register (folgende 6 Fotos und alle vom nächsten Tag). Vereinzelt gibt es Kioske mit Selbstgemachtem, ein leichter Rückenwind weht, die Straße ist top geteert, kaum Verkehr. Völliges Glück.
Anfahrt zum Ritsa See
Oase mit türkisem Wasser, direkt aus den Bergen
Die engste Stelle der Schlucht
Ritsa See, die Perle Abchasiens
Insgesamt sechs Datschen hatte Stalin allein in Abchasien, eine davon am hinteren Ende des Ritsa Sees. Er war angeblich dreimal hier, nach seinem Tod ging die exquisite Immobilie an Chruschtschow, dann Breschnew, momentan nutzt sie der abchasische Präsident. Etwa 20 Leute arbeiten ständig hier. Die Schlafzimmer und Bäder sind dreimal in gleicher Ausführung vorhanden, um die Wahrscheinlichkeit von nächtlichen Mordanschlägen etwas einzudämmen, erklärt mir die junge, perfekt englisch sprechende Führerin. Nebenan gibt es ein schönes Café direkt am Seee.
Stalin Datscha am Ritsa See
Eines von drei identischen Schlafzimmern
Auch ein Diktator muss mal
Für Stalins Spritztour über den Ritsa See
Die Straße geht nördlich des Sees noch weiter hinauf Richtung Grenze zu Russland, irgendein Ort muss hier laut Karte noch kommen. Die Dämmerung zieht herauf, es gibt jetzt gar keine Autos mehr. Die Straße ist nicht mehr so gut, man muss öfters schieben bzw. das Rad über ein Gebirgsbächlein tragen. Ich bin schon ziemlich müde, aber das Gelände ist total abschüssig, keine Chance zu biwakieren. Endlich, etwa 300 HM über dem See gibt es die erste sehr schöne Gelegenheit im Wald, zwischen moosbewachsenen kleinen Granitfelsen und einem Mini-Bächlein. Plastikplane hingeworfen, Isomatte und Schlafsack drauf, und schon liege ich da wie ein Stein, beschützt von einem dichten Blätterdach.